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Wenn die Lektüre dieses Blogs für Sie in irgendeiner Weise wertvoll, interessant oder anregend ist und Sie Ihrer Wertschätzung Ausdruck verleihen wollen, dann gibt es neben der Möglichkeit, mir zu schreiben jetzt auch die Gelegenheit, mir ein Trinkgeld zu geben. Näheres dazu findet sich auf meiner Tipeee-Seite:

Sonntag, 17. Dezember 2017

Die GG-Performance

Am 15. und 16. Dezember 2017 habe ich im Proberaum des stimmfeld-Vereins in Köln eine Grundgesetz-Performance durchgeführt, in der ich die Fragen, mit denen ich auf Grundgesetz-Wanderung bin, in einen etwas anderen Kontext setzen wollte.


Neben dem Element der Rezitation war der Text der Grundrechte auch in der geschriebenen Form im Raum präsent und zugleich immer wieder im Verschwinden begriffen. Außerdem habe ich in bestimmten Phasen meiner Stimme freien Lauf gelassen und ihr sozusagen erlaubt, auf die Eindrücke, die durch Kernbegriffe aus den Grundrechten entstanden sind, frei klanglich zu reagieren.
Die Performance hat durch die Wiederholung weniger, aber klar definierter Aktionen einen stark rituellen Charakter.
Dank an Maria und Susanne fürs Photographieren und gemeinsam mit Winni und Sabine für die Unterstützung bei der Durchführung!!

Auf die Folien geschrieben habe ich an beiden Abenden Art. 1 bis 5. Das war in dem zeitlichen Rahmen von drei Stunden, den ich mir gegeben hatte, gerade passend. Zugleich sind die ersten fünf Artikel auch diejenigen, die die fundamentalen Menschenrechte formulieren: Menschenwürde, Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Recht auf Leben, Gleichheit und Gleichberechtigung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit. Ein ganz schönes Paket für eine abendliche Performance!


Das Feedback einiger Besucher spricht dafür, dass das Konzept mehr oder weniger aufgegangen ist. Die Rede war u.a. von einer Aura, die entstanden ist, von teilweise starken inneren Reaktionen auf den Text und auf die Art, wie er im Raum auftauchte und wieder verschwand.




Für mich hat sich gezeigt, dass mir der Text der Grundrechte sehr nahe ist und zugleich die innere Anmutung bei der Rezitation immer wieder anders wird. Bemerkenswert war z.B. an beiden Tagen, wie ich mit Art. 4 und der dort thematisierten Glaubens- und Gewissensfreiheit zu "kämpfen" hatte. Diese Freiheit kann sich auch als belastende Verpflichtung erweisen!


Einige Bemerkungen der Zuschauer haben hervorgehoben, welche fast poetische Qualität der Text der Grundrechte besitzt. Statt der erwarteten trockenen Juristensprache als schwer wiegende Deklamation, die einen auf verschiedenen Ebenen berühren kann, daher.

Dienstag, 21. November 2017

Ankündigung Performance


GRUNDGESETZ
Performance
am 15. und 16. Dezember 2017
im stimmfeld-Studio in Köln Nippes
Beginn Freitag und Samstag 18.00 Uhr.


Die Grundgesetzwanderung, bei der ich mit den ersten 20 Artikeln (Grundrechte +1) des Grund­gesetzes im geistigen Gepäck quer durch Deutsch­land von Aachen bis Görlitz gehe, macht Winterpause.
Die Zeit will ich nutzen, um ein paar andere Aktionen mit dem GG durch­zuführen, immer mit der Frage im Hintergrund, um welchen Text (mit welcher Kraft oder Wirkung) es sich da eigentlich handelt.

Am Fr./Sa. 15./16. Dezember werde ich in diesem Rahmen eine Langzeit­performance von täglich ca. drei Stunden machen, in der ich die Grund­rechtsartikel in verschiedener Weise stimmlich und schriftlich in den Raum bringe und herausfinden will, ob und wie der Raum, ich selbst und die Gestimmtheit der Zuschauenden- und -hörenden sich dadurch ändern.

Der Eintritt ist frei; Spenden, mit denen ich die nächsten Etappen der GG-Wanderung finanzieren werde, sind willkommen.
Der Einlass ist durchgehend geöffnet; jede(r) - außer mir - kann jederzeit kommen, bleiben und gehen.

Unterstützt von stimmfeld e.V.
Weitere Infos und eine Wegbeschreibung gerne auf Anfrage!

Samstag, 4. November 2017

Fundstück: GG und Kapitalismus


Bei der Lektüre eines Buches des unfassbar jungen Philosophen Markus Gabriel (Ich ist nicht Gehirn, Berlin 2015) ist mir eine wichtige inhaltliche Brücke zwischen den beiden Feldern aufgegangen, mit denen ich mich seit einiger Zeit intensiv beschäftige: dem Kapitalismus als Lebensform und dem Grundgesetz.


In der Auseinandersetzung mit Artikel 1 des GG („Die Würde des Menschen ist unantastbar. (...)“) bemerkt Gabriel, das der Satz auch ganz buchstäblich verstanden werden kann. Man kann die Menschenwürde nicht antasten, weil sie kein Ding ist. Die Würde erwächst aus bestimmten Bedingungen, die zum Menschsein dazugehören. Die heute in der Philosophie weitgehend dominierende Haltung des Materialismus behauptet aber, dass man alle weltlichen Phänomene auf Dinge oder Dinghaftes zurückführen kann. Dagegen argumentiert Gabriel vehement und wie ich finde mit gutem Recht.

Dabei zitiert er Kant, der die Unterscheidung zwischen Preis und Wert bzw. Würde eingeführt hat. Kurz gesagt hat für Kant alles, was Würde besitzen kann, keinen „Marktpreis“, weil es nicht als Mittel für einen anderen Zweck verwendet werden kann. Die Würde ist Zweck an sich. (Kant, Metaphysik der Sitten)

Was im Materialismus Ding genannt wird, ist im Kapitalismus die Ware. Wie wir bei Scheler schon gesehen haben (vgl. meinen Vortrag!), ist ein Grundmerkmal des kapitalistischen Geistes der Warencharakter aller Dinge. Heute ist die Verwandlung aller Lebensaspekte zur Ware sehr weit fortgeschritten. Fast alles kann zur Ware degradiert und im kapitalistischen Karussell zu Geld gemacht werden. Um aber zur Ware zu werden, muss etwas zuerst ein Ding sein. Die Wissenschaften bzw. der philosophische Materialismus tragen zur Entwertung der Welt bei und flankieren so die Entzauberung dieser Welt und die Verdinglichung aller Phänomene, die in ihr auffindbar sind.
Die Menschenwürde aber ist keine Ware. Implizit erkennt Kant bereits, dass sich bestimmte Werte und die Menschenwürde gegen eine Vereinnahmung durch die kapitalistische Logik wehren. Die Würde des Menschen hochzuhalten als unantastbares und unverkäufliches Recht bedeutet demnach auch, sich vom kapitalistischen Geist zu distanzieren. Oder umgekehrt: Die Distanzierung vom Geist des Kapitalismus als alle Lebensform beherrschen wollender Ethos macht uns zu Verteidigern des Artikel 1 des Grundgesetzes.


Montag, 2. Oktober 2017

Der zwölfte Tag: 1. Oktober 2017

Eitorf - Herchen - Rosbach

Im Moment erlauben es die Entfernungen zwischen Köln und den Etappen meiner GG-Wanderung, Tagesausflüge zu machen, von denen ich am Abend wieder nach Hause fahre. Durch die verschiedenen äußeren und inneren Hemnisse der letzten Wochen habe ich diese Möglichkeit am Sonntag, 1. Oktober, nach einer ersten Tageswanderung im September, zum zweiten Mal genutzt.

Woran es am Ende lag, dass meine Wanderpläne für den Herbst relativ kläglich gescheitert sind, bzw. ob es dafür neben den "objektiven" Gründen wie Wetter und Malässen, auch innere Gründe gab, werde ich noch kontemplierend und/oder wandernd erkunden müssen.

Am Morgen ging es mit der Bahn nach Eitorf an die Sieg. Am Bahnhof in Köln liefen schon einige Marathonläufer und -besucher durch die Gegend. Sport taucht übrigens unter den Grundrechten des GG nicht auf.

In Eitorf bin ich direkt zum zentralen Platz gegangen und habe nach einem geeigneten Ort für die Rezitation gesucht. Das ist mir bislang noch nirgends so schwer gefallen wie dort. Gefunden habe ich am Markplatz einen Gedenkstein für die offenbar bei einem Bombenangriff ums Leben gekommenen Eitorfer Bürger. Dabei ist anscheinend auch ein Kirche zerstört worden. Das wäre jedenfalls eine Erklärung für die bemerkenswerte Jahresangabe 1170 - 1945.

Dort fand also um ca. 11.30 Uhr die erste Rezitation des Tages statt. Im Prinzip mit Blick auf einen großen Parkplatz. An diesem sehr öffentlichen Ort war das Gefühl, nicht gehört zu werden, besonders stark ausgeprägt. Öffentlichkeit und Ignoranz als Polarität, in die ich mich dort begeben habe.

Es gab nur einen Menschen, der von mir Notiz nahm und sich mir zugewandt hat. Der allerdings war offensichtlich geistig etwas verwirrt und hatte eigentlich vor, mir etwas zu erzählen. Ich habe ihn aber dazu gebracht, mir ein paar Minuten zuzuhören. Wer weiß, was bei ihm angekommen ist? Dann wendete er sich an zwei Leute, die vorbei kamen und denen er seine Geschichte aufbinden konnte.
Danach ging es mit einem Kaffee to go aus dem Café Goethe bei schönem Wetter und frischen Temperaturen los auf die Wanderung. Dabei gab es wenig Kontakt zu anderen Menschen, ein kurzer Wortwechsel in Herchen mit zwei osteuropäischen Männern, die dort am Bahnhof saßen.

Von Herchen ging es über die Höhe nach Dreisel und von dort nach einer kurzen Orientierungsschwäche wieder über die Höhe nach Mauel und nach Rosbach. Schon ab Eitorf habe ich für diese Wanderung den Wanderweg der Deutschen Einheit verlassen, der merkwürdigerweise nördlich der Sieg entlang führt, also den ganzen Natursteig Sieg ignoriert. Ich nehme an, Anfang der 90er Jahre, als der WDE ins Leben gerufen wurde, existierte der Sieg-Steig noch nicht.

In Rosbach musste ich ein wenig nach der Gedenkstätte für Landjuden suchen.
"Landjudentum" ist übrigens ein Begriff, der erst Ende des 20. Jahrhunderts geprägt wurde. Seit dem späten Mittelalter wohnten die meisten Juden in Deutschland nicht mehr in den Städten, aus denen sie in einer Vielzahl von Pogromen vertrieben worden waren, sondern auf dem Land. Um 1800 lebten 90% der Juden in Kleinstädten und Dörfern, aber beispielsweise nur ca. 300 Juden in Köln. Der Begriff der Landjuden wurde von Historikern geprägt, um dieses in der geschichtlichen Aufarbeitung stark vernachlässigte Kapitel ins Bewusstsein zu rücken.
Die Gedenkstätte in Rosbach ist ein kleines Haus, in dem die jüdische Familie Seligmann lange wohnte. Im Moment ist das Haus eine Baustelle und geschlossen. Im kleinen Vorgarten befinden sich ein Gedenkstein und eine Infotafel.




Auf der Straße sieben so genannte Stolpersteine für die Familienmitglieder, die dort wohnten, bevor sie von den Nazis ermordet wurden.









Dort fand um 17.45 Uhr die zweite Rezitation des Tages statt. Ein paar Leute kamen währendessen vorbei, einige grüßten freundlich,  niemand blieb stehen.





Fundstücke:

ein Kommentar zu Artikel 3 GG ABS 2: Gleichberechtigung von Männern und Frauen?

Tiere mit Migrationshintergrund auf einer Wiese bei Eitorf:

Sonntag, 10. September 2017

Der elfte Tag: 10. September 2017

Uckerath - Eitorf

Mit Bahn und Bus bin ich am Morgen nach Uckerath gefahren, wo ich auf eine kleine Gruppe von UnterstützerInnen getroffen bin - inklusive zweier Hunde,




die direkt die Frage nach den Tierrechten aufwarfen, die in den Grundrechten Art. 1 bis 19 nicht auftauchen. In Artikel 20a, der nicht mehr zu den Grundrechten gehört, gibt es seit noch gar nicht so langer Zeit ein "Staatsziel" Umwelt- und Tierrschutz:

"Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Der Artikel ist 1994 ins Grundgesetz aufgenommen worden, die drei Wörtchen "und die Tiere" allerdings erst 2002.
Ein Staatsziel hat für die staatlichen Organe zwar eine orientierende und insofern bindende Wirkung, aber es kann, anders als ein Grundrecht, nicht eingeklagt werden.

Jedenfalls habe ich um 12.00 Uhr eine zweifache Rezitation der Artikel 1-20 (ohne 20a) vor der Tür durchgeführt, die von der evangelischen Gemeinde auf der Kirchenwiese aufgestellt worden ist. Zum Anlass des 500. Jahrestags der Reformation soll die Tür einen Ort darstellen, an dem man seine eigenen Thesen "anschlagen"  - und sie  in einen daneben stehenden Briefkasten werfen kann.
Die Grundrechte als eine Art säkularer Thesenanschlag? Stoff zur Diskussion.





















In Uckerath gibt es im übrigen eine Legende, die man als warnenden Kommentar zu Art. 4 Abs.  2 "Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet:" lesen kann, nämlich die Geschichte vom Uckerather Kanzelmord:
"In Uckerath gibt es eine evangelische Kirche, die 1954 eingeweiht wurde. Es hat lange gedauert, bis die Reformation in Uckerath ankam. Das hat auch mit einem gewissen kämpferischen Katholizismus zu tun, der im 17. Jahrhundert mit dem Uckerather Kanzelmord seinen Höhepunkt nahm. Da sich der katholische Mönch zum Gottesdienst verspätete, bestieg ein protestantischer Wanderprediger aus Altenkirchen die Kanzel. Als der Mönch eintraf, zerrte er den Gegenredner mit Helfern von der Kanzel und erschlug ihn vor der Kirche mit einem Beil. Danach traten kaum noch Protestanten in Uckerath auf."

Jetzt sind sie wieder da und üben ihre Religion weitgehen ungestört aus, hoffe ich....

Nach der Rezitation ging es mit einem Teil der Gruppe wandernd hinunter zur Sieg nach Eitorf. Unter anderem haben wir über die Unterschiede zwischen der Verfassung der Weimarer Republik und dem GG gesprochen. In der Weimarer Verfassung standen die Grundrechte nicht an erster Stelle, sondern kamen erst im zweiten Hauptteil zur Sprache. Die Weimarer Verfassung beginnt mit den Worten "Das deutsche Volk" (Präambel) bzw. "Das deutsche Reich...", also ähnlich wie die amerikanische Verfassung mit dem berühmten "We, the people". So was ging in Deutschland nach den Schrecken der Naziherrschaft nicht mehr. Das Grundgesetz macht im ersten Artikel den Raum auf für alle Menschen, deren Würde unantastbar ist. Zu dieser universal geltenden Würde bekennt sich in Absatz 2 "das deutsche Volk". Das ist ein starkes Statement.

Ein anderes Gespräch handelte von dem Zusatz in Art.5 "Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung." Wir haben uns gefragt, ob der Satz von Beginn an im GG stand oder später hinzugefügt wurde. Das hört sich doch sehr nach Radikalenerlass und der Zeit in den siebziger Jahren an, als nicht wenige Lehrer etwa wegen einer Mitgliedschaft in der DKP ihren Beruf nicht mehr ausüben durften.
Die Vermutung war aber falsch. Der Zusatz in Art. 5 steht schon in der Version des GG von 1949.

Auf der Wanderung ein kurzer Moment des Erschreckens, als wir ein Schild sahen, dass uns von weiteren 18,7 km Strecke bis Eitorf erzählte. Durch Kartenkonsultation konnte zum Glück schnell aufgeklärt werden, dass wir einen anderen Weg gehen würden, der uns rechtzeitig zum nachmittäglichen Kaffee und Kuchen auf dem Marktplatz in Eitorf landen ließ.

Meine Suche nach einem geeigneten Ort für eine Rezitation in Eitorf war danach erfolglos. Falls jemand einen Vorschlag hat, wäre ich dafür sehr dankbar.

Mit der S-Bahn bin ich wieder zurück nach Köln, weil der Wetterbericht sehr glaubhaft starken Regen für morgen angesagt hat.
Nun warte ich auf Sonnenschein und gebe hier Bescheid, sobald es wieder losgeht.

Fundstücke:

Stroh zu schwarz-rot gold gemacht....:









angewandter Tierschutz:















Donnerstag, 7. September 2017

Fundstücke der Zwischenzeit

In einer Broschüre der Organisation proasyl gibt es zwei Anmerkungen zum Grundgesetz, die es mir wert erscheinen, notiert zu werden.
Auf einer Seite, die mit dem schönen Satz überschrieben ist:

"Flüchtlinge verteidigen unsere demokratische und offene Gesellschaft"

schreibt Karim Al Wasiti aus dem Irak: "Nur wenn die Rechte der Menschen verwirklicht werden, sind sie real. Ich möchte nicht, dass in Deutschland schutzsuchenden Menschen gegenüber eine Praxis existiert, die nicht mit unserem Grundgesetz übereinstimmt. Das Grundgesetz ist in meinen Augen fast eine Art Heiligtum, das unbedingt unversehrt bleiben muss."

Den ersten Satz würde ich so nicht ohne weiteres bestätigen. Es besteht zwar immer die Aufgabe, den Grundrechten des Grundgesetzes Geltung zu verschaffen, real sind die Rechte aber schon dadurch, dass sie im Grundgesetz stehen. Das Recht existiert unabhängig davon, ob es von irgendeiner Seite verletzt wird.
Im Hinblick auf die neunte und zehnte Etappe meiner Wanderung finde ich die Idee, das Grundgesetz als eine Art Heiligtum zu verstehen, sehr interessant. Meine vorläufige Vermutung ging dahin, dass man den Text der Grundrechte wie einen heiligen Text lesen kann, also als unverrückbare Grundlage, die aber einer dauernden Aktualisierung bedarf.

An einer anderen Stelle schreibt Karim Al Wasiti, der übrigens 1998 aus dem Irak geflüchtet und mittlerweile deutscher Staatsbürger ist und der Flüchtlinge berät, folgendes:

"Meiner Meinung nach müssen wir das Recht auf Familie gegen alle migrationspolitischen Einschränkungen unbedingt auch öffentlich verteidigen. Wir verteidigen damit generell die Gültigkeit der Grundrechte, unsere eigenen Standards. Es ist wichtig, dass die Menschen das Vertrauen in die Grundrechte und das Grundgesetz nicht verlieren."

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Al Wasiti bezieht sich auf Artikel 6 GG, wo es heißt: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. Dieser besondere Schutz gilt aber nicht nur für deutsche Ehen, sondern eben auch für die Familien von Flüchtlingen, die in Deutschland gestrandet sind. Insofern stellt die Verweigerung der Familienzusammenführung, wie sie im Moment weitgehend praktiziert wird, eine Verletzung dieses Grundrechtes dar.

Ein anderes Fundstück: Der deutsch-türkische Autor Dogan Akhanli, der im Moment in Spanien festsitzt, weil die Türkei seine Auslieferung beantragt hat, hat in einem Interview kurz davon erzählt, wie es war, in Spanien festgenommen zu werden. Akhanli saß bereits mehrfach in türkischen Gefangnissen und wurde dort gefoltert, einmal sogar vor den Augen seiner Frau und seines Kindes. Die Erinnerung an diese Geschehnisse wurde für ihn so stark, dass er in der spanischen Zelle nichts essen und trinken konnte, weil es ihm so übel war. Er wußte zwar, wie er sagt, dass ihm in einem europäischen Gefängnis keine Folter droht, aber die Erinnerung konnte die alte Angst nicht vertreiben.
Art.2 GG: Jeder hat das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Der Wert dieses Grundrechtes wird erst deutlich, wenn es gefährdet ist.

Donnerstag, 10. August 2017

Das Wetter: Abbruch und Rückreise, 10. August 2017

Uckerath - (Köln)

Am Morgen stellte sich deutlich heraus, dass die Wettervorhersage recht behalten sollte. Es regnete in Strömen und ohne Aussicht auf durchgreifende Änderung. Also habe ich die GG-Wanderung in Uckerath unterbrochen und bin nach Hause gefahren.
Auf der Rückfahrt mit Bus und Bahn hatte ich Kontakt zu einer Dame aus Uckerath, die auf dem Weg nach Köln "zum Einkaufen" war. Sie zeigte ein etwas ratloses und entsprechend vages Interesse an meiner Aktion. Sie fragte mich, was ich beruflich mache und inwiefern die GG-Wanderung damit etwas zu tun habe.
Die Karte mit den Infos, die ich ihr reichte, gab sie mir sehr höflich wieder zurück. Auf meine Frage, ob ihr ein geeigneter Platz für eine Rezitation in Uckerath oder Umgebung einfiel, hatte sie keine Antwort: "Mein Schwiegersohn wüsste bestimmt etwas!" Wir haben uns in Köln sehr freundlich voneinander verabschiedet und es tut mir leid, dass ich kein tiefer gehendes Gespräch mit ihr führen konnte.

Der Abbruch der Wanderung heute hat eine gewisse Schlüssigkeit, denn damit ist die Etappe am Rhein und rund um die konkreten historischen Erinnerungsorte zu Ende. Hinter dem Siebengebirge beginnt eine andere Geschichte.
Im Rückblick auf Bonn und Rhöndorf tauchen in mir zwei "Gefahren" auf, die das GG zu überdecken oder zu überwuchern drohen: Pathos und Ignoranz.
Das Pathos ist verbunden mit der Tendenz, die Vergangenheit zu idealisieren. Wie im Falle von Adenauer, zu dessen Amtszeit als Kanzler - bei all seinen großen Verdiensten wie, ganz vorne, die Versöhnung mit Frankreich! -  einige wichtige Grundrechte wenig Beachtung fanden. So etwa Artikel 2 und Art. 3. (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und Gleichheit von Frau und Mann). Die 50er Jahre konnten atmosphärisch nicht an die Aufbruchszeit der 20er Jahre anknüpfen. Sie waren von der geistigen Enge her viel näher an den späten 30er Jahren des Naziregimes.
Ignoranz verkleidet sich gerne als gutbürgerlicher Wohlstand, der die Grundrechte des GG als Garant für die eigene Sicherheit und den eigenen Anspruch versteht, dass alles am besten so bleiben soll, wie es ist, oder noch besser: so wie ich es mir wünschen würde! Hier hat sich die bundesrepublikanische Bourgeoisie, deren Hauptstadt noch immer Bonn heißt, in den letzen 70 Jahren kaum geändert.

Mittwoch, 9. August 2017

Der zehnte Tag: 9. August 2017

Rhöndorf - Ölberg - Oberpleis - Uckerath

Als ich heute um zehn Uhr am Adenauerhaus in Rhöndorf ankam, erwarteten mich zwei Kölner Freunde als moralische Unterstützung. Vor dem Wohnhaus, in dem Adenauer die letzten 30 Jahre seines Lebens wohnte, steht jetzt ein ziemlich großes Gebäude. Dort befindet sich ein Museum zu Leben und politischem Werk,  das zum diesjährigen fünfzigsten Todestag des Altkanzlers erneuert und erweitert wurde.
In einem der Ausstellungsräume habe ich um 10.30 Uhr meine Rezitation gemacht, zwischendurch mit "Störungen" von Adenauers Stimme, die aus einem Lautsprecher immer dann ertönte, wenn man an einem Bildschirm vorbeiging, auf dem Adenauer bei Bundestagsreden zu sehen war.



In der Ausstellung fand sich die für uns völlig irrelevante Information, dass Adenauer während des ersten Weltkriegs die Sojawurst erfunden hat!
Wichtiger der Hinweis, dass er schon 1919 dafür plädierte, einen westdeutschen Staat unabhängig von Preußen zu schaffen. Das ist ihm 30 Jahre später unter ganz anderen politischen Umständen gelungen!
Danach ging es zum Café Profittlich und zu Kaffee und der zu Recht berühmten Sananischnitte.

Gespräch über die Diskrepanz zwischen den Grundrechten und der Realität, was uns einmal mehr zur Frage führte, um welche Art von Text es sich beim GG handelt. Meine momentane Lieblingsantwort lautet: um einen quasireligiösen Text, der als Grundlage für immer neue Interpretationen fungiert. Das GG entwirft ein Ethos, das von uns Bürgern immer wieder neu angeeignet werden muss.




Danach ging ich alleine ins Siebengebirge und auf den Ölberg.
Während der Wanderung ist mir eingefallen, dass mein Urgroßvater fast genau dieselben Lebensdaten hatte wie Adenauer: geb. 1876 und gestorben ein Jahr nach dem Kanzler 1968. Doch was für ein Unterschied im Leben. Mein Urgroßvater hatte wahrscheinich wenig Sympathien für die Demokratie und wäre mit Kaiser Wilhelm auch nach dem 1. Weltkrieg sehr zufrieden gewesen. Er war Tischler und Schreiner und hat nach einem Unfall, bei dem er von einem Wagen fiel, die letzten 30 Jahre seines Lebens mit (wahrscheinlich) einer Querschnittslähmung auf einem von ihm selbst gezimmerten Stuhl verbracht. Rollstühle gab es damals noch nicht auf Kassenrezept.
Ich kann mir aber vorstellen, dass er Adenauer gewählt hätte, wenn er zur Wahl hätte gehen können. (Keine Ahnung, ob es damals bereits die Möglichkeit der Briefwahl gab!)

Mit einigen Extrakurven bin ich abends in Uckerath gelandet.

Den Wanderweg der Deutschen Einheit habe ich erst kurz vor dem Ziel erreicht, nachdem ich in den vergangenen Tagen dauernd in mehr oder weniger großen Bögen um ihn herum geschlängelt bin.
















Fundstücke:
eingelassen in eine Mauer irgendwo am Wegesrand hinter Rhöndorf

Eine etwas merkwürdige Anrufung der hl. Maria, gefunden unterhalb des Friedhofes in Rhöndorf, wo im übrigen Adenauer begraben liegt.
 Ein ebenfalls etwas merkwürdiges Denkmal für die deutsche Einheit:





...die "Einheitsbäume", noch etwas unscheinbar.....

Dienstag, 8. August 2017

Der neunte Tag: 8. August 2017

Bonn - Bad Godesberg -  Königswinter - Bad Honnef

Gestern Abend hat sich in mir die Idee geformt, heute einen Abstecher nach Bonn zum Museum König zu machen. Dort hat nämlich der parlamentarische Rat getagt und das GG entworfen. Kurz nach 9h ging es los über den Venusberg hinunter Richtung Rhein.
Um 10.30h fand vor dem Eingang des Museums die erste, und wider Erwarten einzige Rezitation des Tages statt.




Dabei wurde wie schon gestern der Performance-Charakter der Aktion deutlich. Durch die Rezitation wird eine Situation kreiert, in der alle anderen Ereignisse, die gleichzeitig passieren, eine neue Bedeutung bekommen. Der Lärm des Verkehrs, der Teile des gesprochenen Textes verschluckt. Oder gestern die Gruppe tollender kleiner Kinder, die an mir vorbei liefen.
Im Museum König hat mir die Frau an der Tickettheke ein Faksimile der Liste der Mitglieder des parlamentarischen Rates gegeben, und eine Kopie der Unterschriften der Vorsitzenden unter dem GG. Außerdem die Fassung des GG, wie sie im Bundesgesetzblatt als Nr. 1 veröffentlicht wurde. (Diese Veröffentlichung ist für jedes Gesetz notwendig, um es in Kraft treten zu lassen.) Interessant zu sehen, was in der ersten Fassung der Grundrechte noch nicht stand!
Die Unterlagen waren offenbar bei einer anderen Veranstaltung übrig geblieben.



 Unter den Vätern des GG waren auch vier Mütter, die im Titel der Liste unterschlagen wurden.
Die aus NRW stammende und der SPD zugehörige Frederike Nadig schrieb zu ihrer Arbeit im Rat: "Im Parlamentarischen Rat ist die deutsche Frau zahlenmäßig viel zu gering vertreten. Das Grundgesetz muss aber den Willen der Staatsbürger, die überwiegend Frauen sind, widerspiegeln."
Ich muss zugeben, dass ich den Namen der Frauenrechtlerin Nadig noch nie zuvor gehört hatte. Neben anderem hat sie sich vehement für Aufnahme der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ins Grundgesetz eingesetzt. Außerdem forderte sie schon damals "gleichen Lohn für gleiche Arbeit"!
mehr zu ihr findet man z.B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Friederike_Nadig



Danach ging es in Richtung Bad Godesberg. Auf dem Weg ein kurzer Halt und ein Kaffee im Haus der Geschichte. Im dortigen Informationszentrum habe ich die Information über meine GG-Wanderung hinterlegt.
Weiter über den Rhein nach Königswinter. Mittlerweile hatte es stark zu regnen begonnen und ich musste meine Pläne ändern: Statt zum Adenauerhaus bin ich zur Jugendherberge in Bad Honnef. Da habe ich dann auf besseres Wetter am nächsten Tag gehofft und meine Zeit u.a. damit verbracht, die Zeitung "Das Parlament" zu lesen. Schwerpunktthema dieser Ausgabe (7.8.2017) waren Ehe und Familie, also der Artikel 6 GG und die aktuellen Veränderungen in der Familienpolitik.
Der quasireligiöse Charakter des GG bzw. der Grundrechte zeigt sich an Art. 6 gerade besonders deutlich. Am Wesensgehalt dieses Artikels darf man nicht rütteln, aber zugleich kann sich die Bedeutung dessen, was da steht, sehr wandeln. Mit der Einführung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare wird die Idee der Ehe sehr viel weiter gefasst als die Verfasser des GG im Sinn haben konnten. (Damals stand Homosexualität noch unter Strafe!) Aber der besondere Schutz der Ehe bleibt dadurch unangetastet.
Übrigens gab es im "Parlament"  einen Autor, der das Ehegattensplitting mit dem Art. 6 und dem besonderen Schutz der Ehe begründet, weil im GG eben nicht nur die Familie (mit Kindern) geschützt ist, sondern auch die Ehe, ganz unabhängig davon, ob aus ihr Kinder hervorgehen oder nicht.

Fundstücke:
Brandt auf der Adenauerallee:
Eindrücke aus dem Haus der Geschichte:
Der Eingang zu einer Ausstellung über
des Deutschen liebstes Kind
(nein, nicht das Grundgesetz...):




Salonwagen nach Entnazifizierungsverfahren

Montag, 7. August 2017

Der achte Tag: 7. August 2017

Rheinbach - Buschhoven - Bonn

Bevor ich zu meiner Wanderung aufgebrochen bin, habe ich mein wöchentliches I-Ging geworfen, das mir für die Tage das Hexagramm mit dem Titel "Das Entgegenkommen" präsentiert hat. Schon an sich sehr passend. Außerdem hat es mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich zwar mit der Welt in Kontakt gehen soll, aber ohne mich von ihr vereinnahmen zu lassen.

Heute ging es wie geplant pünktlich um 12h los mit dem zweiten Teil der GG-WANDERUNG und mit einer zweifachen Rezitation der Grundrechte vor dem Hexenturm in Rheinbach. Vor der Rezitation hat sich ein älterer Mann interessiert über meine Infofolie, die ich immer auslege, gebeugt. Als ich ihm eine Karte in die Hand geben wollte, um mit ihm ins Gespräch zu kommen, hat er sich schweigend verzogen.

Aus den Zuhörern der Rezitation gab es einige Reaktionen: Eine Frau meinte, sie habe ein Gefühl der Erhabenheit in sich gespürt, besonders in der Wiederholung. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Auch mir geht es manchmal so, dass der Text in der Konfrontation mit einer alltäglichen Szene eine Art Würde gewinnt. Ein anderer Zuhörer meinte, er habe beim Zuhören erst die starken Parallelen zur amerikanischen Bill of Rights erkannt. Daraus entsponn sich ein Gespräch über die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Texten. Mir sind in erster Linie zwei Unterschiede aufgegangen. Zum einen beginnt die amerikanische Verfassung mit "we, the people"; das ist eine Formulierung, die unmöglich hätte am Anfang einer deutschen Verfassung nach dem Ende des 2. Weltkrieges stehen können! Und im Grundgesetz ist nicht die Rede vom "pursuit of happiness" dem Streben nach Glück, das in der amerikanischen Version so wichtig ist. Das Fehlen dieses Themas hat etwas sehr deutsches, ja. Bei beiden Unterschieden bin ich aber auf der Seite der deutschen Verfassung. Nicht das Volk, sondern die Würde des Menschen eröffnet die Liste der Grundrechte passend. Und Glück? Was ist das? Was hat das in der Verfassung zu suchen? Große Fragen, die Stoff für viele Gespräche bieten. 
Außerdem gab es als Reaktion auf die Rezitation, wie schon ab und zu vorher, den Hinweis, dass das GG zwar gute und wichtige Rechte formuliert, die Realität in Deutschland aber anders aussieht. Da komme ich später nochmal drauf zurück.

Danach sind wir mit einer kleinen Wandergruppe von vier Leuten in Richtung Bonn gestartet. Nicht ganz auf der von mir vorgesehenen Strecke, sondern etwas nördlicher. Hat auch etwas länger gedauert. Mit uns gegangen ist eine Frau aus dem Ruhrgebiet, deren Familiengeschichte illustriert, wie lang der Weg der Grundrechte des GG in die Köpfe und Herzen der Menschen ist. Ihr Vater hat als Soldat am Ende des 2. Weltkrieges das einzige Vernünftige getan und ist desertiert. Art.4 Abs.3: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Das war zur Nazizeit natürlich anders, aber auch in der jungen Bundesrepublik galt Desertion als eine Art Verrat. Und damit war es mit der Karriere in Deutschland nichts. Die Rehabilitierung der deutschen Deserteure ist noch immer nicht abgeschlossen. Die Ansprüche, die das GG an die Bürger*innen stellt, müssen z.T. schwer und langwierig erarbeitet werden. 


Als wir unterhalb von Alfter nach Bonn kamen, bot sich eine Frau von sich aus an, uns zu sagen, wie wir weiter und zum Bahnhof nach Duisdorf kommen. Sie ging ein paar Schritte mit uns, erzählte, dass sie beim Spazierengehen gut lernen könne, im Moment Italienisch. Als ich meine GG-Wanderung erwähnt hatte, fiel ihr zuerst ein, dass sie als junge Frau mal ein Gedicht über Juristen geschrieben habe, dann kam sie auf den napoleonischen Code civil. Am Ende gab sie mir sehr energisch die Hand und schien ganz beeindruckt von meinem Vorhaben. 

Fundstücke:

ein ordentlicher Apfelbaumhain...


und ein "deutsches" Fenstergitter:

In einem Leserbrief in der Wochenzeitung "Der Freitag" vom 3. August glaubt ein Leser, sich auf den Artikel 20 und das dort festgeschriebene Widerstandsrecht berufen zu können. "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht auf Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." (Art.20, Abs.4) Der Leserbriefschreiber betont, dass es sich bei dem Widerstand gegen die Aushöhlung unseres Rechtsstaates - für die man ja tatsächlich Indizien finden kann - um friedlichen Protest handeln muss! Der aber werde immer mehr kriminalisiert. 
Für uns ist in dem Zusammenhang die Frage interessant, wer denn überhaupt feststellen kann, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gefahr ist. Jeder einzelne Bürger? Das Bundesverfassungsgericht? Die besorgniserregenden Entwicklungen in anderen Ländern, etwa Polen, Ungarn, Türkei, zeigen, dass die Ordnung besonders dann gefährdet ist, wenn das Verfassungsgericht eines Landes seine Unabhängigkeit verliert und geschwächt wird.....


Freitag, 28. Juli 2017

Die GG-Wanderung im Radio

Für die WDR5-Sendung "Bücher" am 29. Juli, um 20.05 Uhr und am 30. Juli um 15.05 Uhr hat mich Christine Westermann zur Grundgesetzwanderung interviewt.

Hier kann man das Gespräch nachhören:

http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/buecher/auf-meinem-nachttisch/ralf-peters-100.html



In den USA gibt es übrigens eine ganz interessante Aktion der Künstlerin Morgan O´Hara, die Veranstaltungen organisiert, bei denen die amerikanische Verfassung mit der Hand abgeschrieben wird. Mehr dazu unter www:handwritingtheconstitution.com!

Montag, 15. Mai 2017

Der siebte Tag: 14. Mai 2017

Bad Münstereifel - Freidwald Iversheim - Rheinbach

Nach dem Eintauchen in die Frühgeschichte und dem neuerlichen Gruß an Europa stand heute eine (fast) rein persönliche Begegnung und Rezitation an.
Erst am Abend vorher habe ich herausgefunden, dass uns der Weg heute zum Friedwald bei Iversheim führen würde, auf dem zwei Menschen liegen, mit denen ich auf sehr unterschiedliche Weise künstlerisch verbunden war.
Wir haben uns sehr früh von der Jugendherberge und der netten Crew dort verabschiedet und sind zum Friedwald gegangen.
Am Baum von Terry Fox habe ich die erste und an diesem Tage einzige Rezitation gemacht.
Terry Fox (1943 Seattle - 2008 Köln) war ein Künstler, der für meine künstlerische Arbeit und für die Art, wie ich meine Fragen und Aktionen angehe, in vieler Hinsicht prägend war. Seinem Werk und den Geprächen, die ich mit ihm in Köln über Jahre geführt habe, verdanke ich sehr viel. Meine Versuche, mit Stimme und Text Konzeptkunst und Performance Art zu machen, wären ohne seine Anregungen wohl nicht zustande gekommen.
Der zweite Mensch, der unter einem Baum in diesem Friedwald seine letzte Ruhestätte gefunden hat, war ein Gründungsmitglied des Ensembles KörperSchafftKlang: Heidrun Klein, im gleichen Alter wie Terry Fox, starb - nach schwerer Krankheit, wie es dann oft heißt - bevor KörperSchafftKlang 2009 sein erstes Projekt auf die Bühne gebracht hat.

Vom Friedwald ging es weiter über die Steinbachtalsperre in Richtung Rheinbach, eine lange und eher ereignisarme Strecke, die auf meinen Geist eine verwirrende Wirkung ausübte. Nach Ankunft in Rheinbach habe ich mich deshalb entschieden, keine Rezitation mehr zu versuchen. Die wird daher den Startpunkt der zweiten Teils der Grundgesetzwanderung bilden. Der Termin dafür steht noch nicht fest. Wahrscheinlich geht es im August weiter.

Eine sehr intensive Woche ging in Rheinbach für mich zu Ende, fast zu intensiv. Der Text der Grundrechte entfaltet in der Rezitation eine Wirkung auf mich, die ich nicht vermutet hätte. Verstärkt wird sie noch durch die Eigenkraft vieler Orte, an denen ich halt mache. Nicht zu vergessen, die Menschen, die ich treffe, die ihre Neugierde, ihr Erstaunen, ihre Fragen mit mir teilen und/oder mein Projekt zum Anlass nehmen, von dem zu sprechen, was sie bewegt und was ihnen wichtig ist.
Von all dem bin ich sehr bewegt. Jetzt erstmal Luft holen und dann bin ich gespannt, wie es weitergeht.

Fundstück: der maigrüne Wald

Der sechste Tag: 13. Mai 2017

Vollem - Matronenheiligtum - Bad Münstereifel

Am heutigen Tag ist mir endgültig klar geworden, dass mein Vorhaben, mit dem Grundgesetz durch Deutschland zu wandern, keine einfache Sache ist und sein wird. Der Text, die Orte, die Begegnungen mit Menschen, das alles ist sehr intensiv und oft sehr aufwühlend.

Heute morgen nach einem kleinen, mal wieder nicht beabsichtigten Schlenker über Weyer ging es noch einmal zu den Kakushöhlen und von dort in Richtung Pesch. Danach zum Matronen-Heiligtum in der Nähe von Nöthen, einer alten keltisch-römischen Tempelanlage, die offenbar unter anderen den drei Matronen gewidmet war, deren Steinrelief auch in der Kirche von Weyer gefunden wurde.
Dort habe ich an jedem der drei Tempelbezirke einmal die Grundrechte rezitiert. Das war ein merkwürdig beunruhigendes und starkes Erlebnis.
Ich kokettiere manchmal gerne mit meinem im Grunde magischen Weltverständnis. Aber an diesem Ort wurde mir es zwischendurch etwas mulmig. Am ersten Tempel hatte ich ganz stark das Gefühl von Widerstand, der von außen auf mich einwirkte. Als ob ich da nicht willkommen gewesen wäre. Die "Götter" dieses Ortes haben mich offenbar als Eindringling wahrgenommen. Das Grundgesetz als Konkurrent zu anderen "heiligen" Texten??
Im mittleren Tempel habe ich mich in ein mit Steinen bezeichnetes Sechseck gestellt, das einen geomantischen Punkt anzeigen soll. Da war ganz klar das Gefühl, dass meine Füße kribbelten, eine Empfindung, die vorher und nachher nicht wahrnehmbar war.
Im dritten Tempelraum gab es dann keine außergewöhnlichen Gefühle mehr, aber es blieb eine sehr anstrengende Aktion.

"Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet." GG Art.4, Abs. 2.
Das gilt auch für Orte wie das keltisch-römische Heiligtum.

Danach ging es weiter nach Nöthen, wo wir in der deutsch-französischen Bäckerei gerade noch mit Kaffee und Kuchen stärken konnten. Eigentlich war schon seit 12 Uhr geschlossen.

Dann haben wir uns an den Abstieg nach Bad Münstereifel gemacht, den wir mit Wassertreten am Kurgarten krönen konnten. Auf einer Karte am Straßenrand fand ich den Hinweis auf einen Europaplatz direkt an der Stadtmauer von Bad Münstereifel. Ein guter Ort für die nächste Rezitation, die ich dort um 15.30 Uhr gemacht habe.
Der Europaplatz erwies sich als Parkplatz mit einem kleinen Eck, wo neben zwei Bänken ein Stein steht mit den Emblemen der Partnerstädte.
Bad Münstereifel ist ja mittlerweile ein sogenanntes "City Outlet", also ein Ort, der sich ganz auf die Logik des Kapitalismus und des dazugehörigen Konsums verlässt, um "erfolgreich" zu sein. Das ist sicher ein Wagnis, denn die Aussicht auf Schnäppchen zieht bestimmte Menschen an und stößt andere ab. Das muss man wollen...
Die Rezitation hat nach außen eine relativ schwache Resonanz entfaltet, die Passanten zeigten sich mal wieder scheu und vermieden den Kontakt. Nach innen war die Resonanz sehr stark und aufwühlend. Die Grundrechte erweisen sich durch die Wiederholung mehr und mehr als sehr wirksam auf mich und mein inneres System.
Aufstieg zur Jugendherberge in Rodert. Sehr anregende Gespräche mit Frau Keller vom Team und einem Wanderführer aus Köln.
Trotz eines Großaufgebotes von Vätern, die mit ihren Kindergartenkindern dort das Wochenende verbrachten, war die Nacht ruhig....

Fundstücke:
Esel mit Pony und Ziege